Wer über Fleisch schreibt, das aus dem Labor statt vom Schlachthof kommt, verzweifelt mitunter an dessen Bezeichnung: Labor- oder In-vitro-Fleisch? Zellbasiert oder kultiviert?
Was für den Schreiber eine Gedankenübung ist, ist für die Industrie, die solches Fleisch herstellt, zu einer essenziellen Frage geworden.
«Die Einführung einer einheitlichen Nomenklatur ist von entscheidender Bedeutung, um kultivierte Proteinprodukte auf den Markt zu bringen», schreibt der britische Wissenschafter Chris Bryant zum Thema seiner neuen
Untersuchung.
US-Gesetz verlangt «üblichen Namen»
Der Grund: In den für den kommerziellen Erfolg wichtigen USA schreibt das Gesetz vor, «dass alle Lebensmittel mit einem Etikett versehen sein müssen, das einen ‹gebräuchlichen› oder ‹üblichen Namen› angibt». Was also wird gebräuchlich oder üblich sein?
Bryant erfasste nun die Ergebnisse von Konsumentenbefragungen in den USA und die Lieblingsbegriffe der Branche. Die Resultate der Umfragen stammten von US-Behörden wie dem Landwirtschaftsministerium (USDA) und der Lebensmittelbehörde (FDA).
Ergebnis: Cultivated (etwa: «kultiviert») und Cell-cultured (etwa: «aus Zellkulturen») schmecken US-Bürgern offenbar am besten für die Bezeichnung von Laborfleisch.
Cultivated ist auch das Wort, das von den Herstellern vorgezogen wird, so die Studie. Aus der Branche stammt auch der Vorschlag, einen gänzlich neuen Begriff für das Fleisch aus dem Reagenzbehälter zu münzen. Der Ausdruck «Novari» wurde deshalb in eine der Befragungen aufgenommen.
Er ist vom lateinischen Verb novare für «erneuern» abgeleitet und wurde von den Befragten als ansprechend, aber verwirrend bezeichnet. Nur drei Prozent ordneten den neuen Begriff spontan korrekt als «kultiviertes Fleisch» ein.
Wie soll das neue Fleisch auf Deutsch heissen?
«Labor», «In-Vitro», «Zellbasiert»: Wenn Konsumenten solche wissenschaftlich klingenden Ausdrücke hören, assoziieren sie die entsprechenden Produkte mit noch schlimmeren Eigenschaften als herkömmliches Fleisch. Das hat vor vier Jahren eine Studie der Zürcher Forscherin Bernadette Sütterlin
ergeben.
Sie schliesst daraus: «Wenn auf die Produktionsweise eingegangen wird, muss ein möglichst neutrales, ‹nicht-technisches› Vokabular gewählt werden.» Begriffe wie «Labor» oder «künstlich», die von sich aus negativ behaftet sind und die Wahrnehmung als unnatürlich schüren würden, gelte es zu vermeiden.
Wie also sollen die neuen Fleische auf Deutsch heissen? Kultiviert hat laut Duden die Bedeutung «gepflegt, verfeinert» – und immerhin «geschmackvoll». Dennoch ist denkbar, dass «kultiviertes Fleisch» in den deutschen Sprachschatz gelangen könnte – nicht zuletzt durch den Einfluss der englischen Taktgeber (siehe oben).
Der von manchen Herstellern seit einigen Jahren vorgeschlagene Ausdruck Clean Meat konnte sich unter den Verbrauchern bisher wenig durchsetzen. Es enthält kein «Laborgschmäckle», klingt aber auch nicht sehr kulinarisch. Als weitere Alternativen zu Labor- oder In-Vitro-Fleisch stehen Kulturfleisch oder schlachtfreies Fleisch zur Wahl. Ersteres könnte allerdings genauso gut für Fleisch vom Bauernhof stehen. Und «schlachtfrei» hat für einen Siegeszug wohl schlicht einen zu kurzen Assoziationsweg zum Schlachthof.