Die 8 wichtigsten Trends für den Food-Handel in Europa
Gespaltene Kundschaft, mehr Retail Media, Personalmangel und Bots: McKinsey liefert Vorschläge zu prägenden Tendenzen 2024.
12.04.2024Retail Media: Werbung am PoS bleibt Wachstumsfeld | Symbolbild: Konsider, erstellt mit Midjourney.Sortimentsgestaltung, Effizienzsteigerungen, die effiziente Nutzung von Daten, neue Medienmöglichkeit: Dies hilft dem Detailhandel, auch in der momentan eher trüben Lage zu wachsen. Der Beratungskonzern McKinsey hat nun wieder seinen Report über den Zustand des europäischen Lebensmittelhandels vorgelegt. Dabei sichten die Management Consultants – nach Befragungen mit Branchenvertretern aus allen Ländern – insgesamt acht massgebliche Trends.
1. Kosten- und Margendruck
Haupttreiber 2024 sind steigende Miet- und Arbeitskosten. Um die Margen zu verbessern, müssen Detailhändler verschärft mit Lieferanten verhandeln, Einkaufsallianzen eingehen und Konsolidierungsmassnahmen ergreifen.
Einkaufsallianzen gewinnen an Bedeutung, und es entstehen neue – wie etwa die kürzlich angekündigte Partnerschaft zwischen Auchan und Intermarché. Es wird erwartet, dass weiterhin viele Zusammenschlüsse und Fusionen durchgezogen werden – wie die Übernahme des Aldi-Filialnetzes in Dänemark durch Reitan.
2. Polarisierung
Die einen klotzen, die anderen kleckern. Mehr als 45 Prozent der befragten Konsumenten wollen weiter beim Einkauf sparen, vor allem Haushalte mit niedrigem Einkommen. 2023 gab es aber Anzeichen, dass Haushalte mit hohem Einkommen nun wieder stärker konsumieren. Vor allem wollen sie mehr hochwertige oder ökologische Produkte kaufen.
- McKinsey: «State of Grocery Europe 2024: Signs of Hope», April 2024.
Je nach Konsumentengruppe und Region findet also gleichzeitig ein Downtrading und ein Uptrading statt. Inwieweit, ist von Land zu Land sehr unterschiedlich.
Sowohl Eigenmarken als auch Discounter verzeichneten in ganz Europa ein gute Wachstum (+1,8 beziehungsweise +2,9 Prozent). 83 Prozent betrachten Eigenmarken als qualitativ gleichwertig oder besser als Markenprodukte.
Gesundheit ist der einzige Premiumisierungstrend, der von der Inflation nicht negativ beeinflusst wurde. Die Konsumenten bevorzugen Produkte, die als «gut für mich» wahrgenommen werden, gegenüber solchen, die «gut für den Planeten» sind. Functional-Food-Produkte gewinnen weiter an Zugkraft.
3. Essen to go
Dieser Markt wächst rasant – er stellt laut McKinsey einen der fünf wichtigsten Trends 2024 dar. Was auch für den Handel Chancen schafft: Food-to-go erhöht die Gewinnspannen und schafft Cross-Selling-Möglichkeiten.
In Paris zum Beispiel lebt bereits die Hälfte der Bevölkerung allein und bevorzugt abgepackte Mahlzeiten und kleinere Portionen.
Trotz Inflation und Kaufzurückhaltung hat die Foodservice-Branche mit über 11 Prozent Wachstum den Lebensmittel-Detailhandel um fast drei Prozentpunkte übertroffen. In Frankreich und Italien ist das Volumen jetzt höher als vor der Pandemie, in Deutschland und Spanien liegt es noch unter diesem Niveau. Der Food-to-go-Markt wird in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich um etwa acht Prozent pro Jahr wachsen.
4. Nachhaltigkeit
Der Anteil Konsumenten, die angaben, mehr nachhaltige Produkte kaufen zu wollen, sank gegenüber 2023 um ein Prozent. Das Interesse an Produkten mit alternativen Proteinen bleibt auf dem niedrigen Niveau von 2023 stabil. Nur Menschen der Generation Z und Millennials signalisieren ein hohes Interesse für umweltfreundlichere Produkte.
5. Online – Offline
Der Online-Food-Handel ist wieder auf Wachstumskurs. Er entwickelt sich zunehmend zu einem eigenständigen (und profitablen) Format mit einem eigenen, differenzierten Wertversprechen. Die Absicht, wieder mehr Lebensmittel online zu kaufen, stieg im ersten Quartal 2024 um acht Prozentpunkte. Es ist zu erwarten, dass dieser Zweig in den nächsten Jahren schneller wachsen wird als der Lebensmittelmarkt insgesamt.
Die Lieferung von Mahlzeiten durch Restaurants könnte sogar noch schneller zulegen und das Offline-Wachstum übertreffen werden.
Die Menschen erwarten von den Online- und Offline-Kanälen zunehmend unterschiedliche Angebote: Die beiden Varianten decken unterschiedliche Einkaufsbedürfnisse ab. So kaufen beispielsweise 37 Prozent der Konsumenten in der britischen Umfrage online immer bei einem anderen Anbieter ein als offline.
6. Retail Media
Retail Media bleibt ein Gewinnbringer. 20 der 30 grössten europäischen Food-Detaillisten sind inzwischen auf diesem Markt aktiv und betrachten RM als einen grundlegenden Faktor für Rentabilität. In Europa hatte der RM-Markt 2023 einen Wert von 11 Milliarden Euro. In den kommenden Jahren wird er voraussichtlich jährlich um 15 Prozent wachsen. Retail Media gelten als eine der fünf grössten Chancen in den kommenden Jahren.
Kleinere Anbieter werden sich konsolidieren und Partnerschaften eingehen, um in dieser Welt auch eine Rolle zu spielen. Allianzen wie die Unlimitail-Partnerschaft zwischen Carrefour und Publicis, und das Wachstum von Werbenetzwerk-Aggregatoren wie Amazon Ads werden den Markt prägen.
Ahold Delhaize etwa hat eine Selbstbedienungsplattform für Lieferanten eingeführt, um die Wirkung von RM-Kampagnen zu verfolgen.
7. KI-Konversation mit der Kundschaft
Analytik und KI haben noch den grössten Einfluss. Aber Conversational Commerce durch generative KI hat das Potenzial, die Art und Weise, wie wir einkaufen, neu zu gestalten. Erste Detailhändler experimentieren mit KI, um direkter mit den Menschen zu kommunizieren. Sechs Anwendungen dürften sich als umsatz- und effizienzsteigernd erweisen: Hyperpersonalisierte Inhalte, intelligente Suche, Copiloten für Category Management wie etwa Lieferantenverhandlungen, für Supportfunktionen wie Softwareentwicklung, Content-Erstellung und Conversational Commerce.
Menschenähnliche Chatbots als persönliche Einkaufsassistenten verbessern das Einkaufserlebnis on- und offline deutlich. Ein Beispiel: Walmart führte letztes Jahr sein Text to Shop-Angebot ein – per SMS Lebensmittel einkaufen oder Inspirationen für Rezepte holen, Vorschläge zur Wiederauffüllung der Vorräte machen und Liefer- oder Abholtermine vereinbaren.
8. Talente fördern
Lebensmittelhändler in ganz Europa sehen sich mit einer noch nie dagewesenen Zahl offener Stellen konfrontiert – und die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit der Mitarbeiter sinkt. Qualifizierte Fachkräfte fehlen besonders in der Lieferkette sowie bei Stellen, die digitales und technologisches Know-how erfordern.
Soziale, emotionale, kognitive und technologische Fähigkeiten werden wichtiger, der Bedarf an körperlicher Betätigung sinkt. Attraktive Arbeitgeber bieten Karrieren, nicht nur Jobs – in Kombination mit der richtigen Work-Life-Balance. Dazu braucht es:
- professionelle Programme zur Mitarbeiterbindung.
- Instrumente, um die Mitarbeiterzufriedenheit zu messen.
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