Es wirkt eigentlich ganz logisch: Uns droht eine echte Energie-Notlage – also sparen wir doch zuerst dort, wo es am wenigsten weh tut.
In allen europäischen Ländern prüfen die Regierungen, wie sie per Verordnung einige Sparmassnahmen durchsetzen könnten. Und überall nehmen sie dabei auch den Detailhandel ins Visier: Schluss mit der nächtlichen Ladenbeleuchtung! Schaufenster dunkel. Keine Leuchtreklame mehr. Türen zu!
Auch in der Schweiz scheint der Fall klar: Politikerinnen und Politiker von links bis rechts liebäugeln mit der Idee, die Stromnot zu lindern, indem man nachts auf Lichtquellen für Schaufenster oder Denkmäler verzichtet. Ob grün wie Bastien Girod, ob in der Mitte wie Stefan Müller-Altermatt, ob Economiesuisse-Präsident wie Christoph Mäder: Sie alle finden, dass sich hier schmerzfreie Möglichkeiten auftun.
In Deutschland wehrt sich der Handel zaghaft gegen die Einschnitte. Die Detailhändler weisen darauf hin, dass seine Schaufenster und Reklamen in der Nacht auch Sicherheit schaffen – und dass Beschränkungen hier sowieso nicht viel bringen
(mehr). Und so will der deutsche Handelsverband den Druck möglichst noch abfedern, indem er von sich aus eine ganze
Palette von Stromspar-Empfehlungen für die Branche vorlegt.
Swiss Retail Federation will Leitplanken
In der Schweiz hat die
Swiss Retail Federation ebenfalls Ideen zu Energie-Sparmassnahmen erarbeitet – und dazu gehört auch die Anregung, ausserhalb der Öffnungszeiten alle Leuchtreklamen auszuschalten.
«Es gibt verschiedenste weitere Möglichkeiten, wie jedes Unternehmen, ob gross oder klein, seinen Beitrag dazu leisten kann, eine Gas- und Strommangellage in der Schweiz zu verhindern», sagt Dagmar T. Jenni, die Direktorin der Swiss Retail Federation. «So kann die Intensität der Beleuchtung – wo immer möglich und ohne Mehraufwand technisch umsetzbar – systematisch reduziert werden, wobei wir bezüglich der Einhaltung der vorgegebenen Lichtintensität und -temperatur noch in Abklärungen mit dem Seco sind.»
Der Detailhandels-Verband arbeitet derzeit an konkreten Leitplanken für den nächsten Winter; sie sollten möglichst ab Oktober umgesetzt werden. Denkbare Elemente solch eines Pakets wären etwa: vermehrter Einsatz von LED-Leuchtmitteln; Herunterfahren der Belüftungsanlagen ausserhalb der Geschäftszeiten; Abschalten gewisser Kühltruhen.
Stunk von unten
Dass es mit Verdunklungs-Vorschriften nicht einfach getan ist, zeigen die Erfahrungen in Spanien. Dort hat die Regierung schon früh ein Energiespar-Paket beschlossen – und siehe da: Ausgerechnet um die nächtliche Beleuchtung tobt jetzt der eifrigste Streit. Die Regionalregierung von Madrid verweigert kurzerhand die Durchsetzung, nun liegt die Frage vor den Gerichten.
Denn wieder einmal zeigt sich: Der Teufel steckt im Detail. Wenn die Ladenfronten ab 22 Uhr dunkel sein müssen – was geschieht dann mit den Shops, die Nachtbetrieb haben? Dies eine der Fragen, die nun plötzlich im Raum stehen.
Verbotskultur?
Ein offener Laden mit schwarzen Vitrinen kann nicht funktionieren, also versteht der Handel die Energiespar-Verordnung der sozialistisch geführten Regierung nun gleich auch als Eingriff in die Öffnungszeiten.
Zu Zank führt in Spanien auch die Regelung, dass bloss die Schaufenster-Lichter dunkel sein müssen, während die Neon-Logos an Gebäuden weiterhin strahlen dürfen – so dass sich die konkrete Frage stellt, wo die Grenze zwischen einem Logo, einer Leuchtreklame und einer Schaufensterbeleuchtung denn ist.
Eine Reportage der führenden
Zeitung «El País» ergab, dass Nacht-Reklamen und -Schaufenster eine Sache der High-End-Strassen und High-End-Geschäfte sind, während es in ärmeren Quartieren ohnehin nicht so blinkt. Was für Politiker der konservativen Oppositionspartei PP ein Beweis war, dass die Energienot wieder mal für gewisse Klassenkampf-Ideen missbraucht werde.
Sonderregeln statt Klarheit
Und was – nächste Frage – geschieht eigentlich mit den Kinos und ihren Glitzerfassaden? Was ist mit den neuen Places, die Bar- und Shopping-Ambiente verbinden?
Man sieht: Es gibt eine vermeintlich klare Idee – Schluss mit unnötigem Stromverbrauch in der Nacht! Doch auch sie verlangt plötzlich wieder allerlei Sonder- und Ausnahmeregelungen.
Was angesichts der Tatsache, dass hier Energie höchstens im Promillebereich gespart werden kann, gleich das ganze Projekt in Frage stellt.
Der nächste Test steht nun in Deutschland an. In Berlin hat die Regierung an diesem Mittwoch ein
ähnliches Energiespar-Paket beschlossen. Danach dürfen etwa Ladentüren nicht mehr dauerhaft offen stehen. Schaufenster müssen zwischen 22 und 6 Uhr dunkel sein. Und dasselbe gilt für Leuchtreklamen – allerdings nicht an Haltestellen und in Bahnhofsunterführungen.