Auch die künstliche Intelligenz (KI) weiss nicht alles: Als Konsider die KI-gestützte Software ChatGPT
kürzlich fragte, was KI in den nächsten fünf Jahren der Konsumgüterindustrie bringen könnte, liess sie einen entscheidenden Bereich aus: NPD. Oder ausgeenglischt
New Product Development.
Zu den Nutzern von KI im NPD gehören alle Schwergewichte der Industrie, etwa Nestlé, Mondelez, PepsiCo, Mars, Campbell's oder auch
der Aromenhersteller Givaudan.KI weiss: Würzigere Suppen sind gefragt
Der für seine Suppen bekannte US-Hersteller Campbell's setzt seit Jahren Software ein, «um die Innovation zu verbessern und die Produktentwicklung zu beschleunigen», so Craig Slavtcheff, der Forschungschef des Unternehmens gegenüber dem Fachorgan
«Foodbusiness News». «Wir nutzen künstliche Intelligenz, um diese Datenpunkte zu verfolgen und zu analysieren, und das ist der Hauptgrund für die wachsende Anzahl von Produkten in unserer Pipeline.»
Campbell's erweiterte dank der Technologie sein Sortiment an Suppen erfolgreich um eine ganze Reihe neuer Geschmacksrichtungen. Ein Fazit aus dem KI-Einsatz: «Konsumenten sind auf der Suche nach Abwandlungen des Vertrauten», so Slavtcheff. «Die Verbraucher essen häufiger würzige Speisen und sind aktiv auf der Suche nach scharfen Varianten ihrer Lieblingsspeisen sowie nach neuen Zutaten und Produkten.»
Menschliche Kreativität entfesseln
Wie beim Suppengiganten geht es beim Einsatz von KI auch für den Guetzli-Riesen Mondelez vor allem darum, die Produkteentwicklung zu beschleunigen. «Wir setzen KI ein, damit unsere Entwickler den Turbo einlegen können», erklärt Sally Loughling, Vice President Global Consumer Science beim US-Konzern gegenüber
«Just Food». Wie das geschieht? «Indem wir die menschliche Kreativität von Einschränkungen des Alltagsgeschäfts befreien, weniger Prototypen produzieren und so die Produktentwicklung schneller machen.»
Der Schweizer Multi Nestlé setzt derweil auf KI-Tools, um «die Komplexität der Entwicklung gesunder, nachhaltiger und erschwinglicher Produkte zu bewältigen», erklärte Stefan Palzer, Chief Technology Officer bei Nestlé, Ende 2022 auf einem Investorenseminar in Barcelona. Der Schweizer Lebensmittelhersteller hat dazu auch eine «KI-basierte Konzeptentwicklung» entwickelt, die Erkenntnisse aus Social-Media-Aktivitäten in der Welt nutzt, «um sehr innovative Konzepte zu entwickeln».
Bei Nestlé hilft KI, die besten Rezepturen zu finden
Die KI wandelt dabei Erkenntnisse in Konzeptvorschläge um, die dann von Nestlés Mitarbeitern bewertet würden. «Dann machen wir den einen oder anderen Prototyp, und dann testen wir ihn mit den Konsumenten», so Palzer. Nestlé habe im weiteren ein KI-Modul für die Rezepturentwicklung entwickelt, die ermöglicht, «unter verschiedenen Bedingungen die am besten geeignete Rezeptur zu entwickeln».
Gefährdet KI Arbeitsplätze in der Food-Entwicklung?
Das belgische Softwareunternehmen
Foodpairing – Firmenmotto: «Better products, faster» – verspricht, die Entwicklung eines neuen Produkts von acht Monaten auf wenige Tage zu verkürzen. Dennoch ist sein CEO, Johan Langenbick, überzeugt, dass die neue Technologie Menschen nicht ersetzen kann. «Es geht vielmehr darum, die ökologischen Kosten, die verschwendeten Materialien, die Marketingkosten, die in die verschwendete Produkte gesteckt wurden», zu reduzieren.
«Die Kreativität, die wir in der Food-Entwicklung benötigen, wird wohl immer menschliche Kreativität sein», sagt auch Sally Loughlin, Wissenschafts-Verantwortliche beim US-Konzern Mondelez, gegenüber dem Branchenportal
«Just Food». «Man kann den Geschmack ändern, aber (ohne menschliche Mitarbeit) etwas Neues zu entwickeln, ohne zu riskieren, dass es nicht ankommt, ist schwierig», stimmt Cyrille Filott zu, der für die Rabobank die Lebensmittelbranche analysiert. «Vielleicht liege ich falsch, aber ich bin etwas skeptisch.»
Die Sofware-Herstellerin Tastewise aus Tel Aviv beispielsweise bietet ihren Kunden – zum Beispiel Nestlé, Campbell's, KraftHeinz oder Mars – inzwischen eine ganze KI-basierte Informationsplattform, die sich an die Entwicklungsabteilungen von Unternehmen der Nahrungsmittelbranche richtet. Motto des Tools: «Real-time Innovation.»
Social Media als Füllhorn für Trends
Der Slogan zeigt, warum und auf welche Weise KI den Entwicklern neuer Produkte Nutzen bringt:
- Sie liefert Entscheidungsgrundlagen, die rasch auf die sich immer schneller verändernden Bedürfnisse und Wünsche der Konsumenten eingehen. Denn: Neue Artikel, gerade aus der Lebensmittelbranche, müssen heute wesentlich schneller generiert werden als noch vor ein paar Jahren. Grund dafür sind sich stetig ändernden Konsummuster, die zudem regional unterschiedlich auftreten.
- KI kann riesige Mengen an Informationen aus digitalen Kommunikationskanälen zeitnah abgreifen, verarbeiten und nach Zielgruppen ordnen. Das ermöglicht den Herstellern, auch regional oder kulturell unterschiedliche Konsumentensegemente mit passenden Produkteneuerungen zu erreichen.
- KI nutzt die sozialen Medien, um Trends, Bedürfnisse und Stimmungen frühzeitig zu eruieren, bevor sie für das menschliche Auge ersichtlich werden.
Letztere Vorgehensweise will die kanadische Firma NextGen Food Robotics perfektionieren. Sie will dazu Mitte 2023 eine App für Konsumenten lancieren, wie das Unternehmen
kürzlich bekanntgab. Das Tool mit dem Namen Lilly soll die wichtigsten Lebensmittel-Apps wie Uber Eats, Door Dash, Skip the Dishes und Yelp bündeln, um den Bestellvorgang für die Kunden zu vereinfachen.
Auswertung von App-Daten
Das Kernstück von Lilly wird eine KI-gestützte Chat-Schnittstelle sein, die auf der Grundlage der über die Stimme übermittelten Vorlieben des Nutzers Essensvorschläge unterbreitet.
Das Unternehmen will dank den User-Daten der App Trends und Konsumpräferenzen zu einem sehr frühen Zeitpunkt erkennen können. Diese Informationen wiederum sollen von NextGen-Kunden aus der Lebensmittelindustrie «für ihre Entscheidungen in der Produktentwicklung genutzt» werden. Konkret könne die KI etwa Ratschläge zu aufkommenden Aromen und Geschmacksrichtungen geben, die in die Zusammensetzung neuer Produkte einfliessen.