Studie: Secondhand-Handel ist oft Augenwischerei – mit Greenwashing-Risiko

Der Wiederverkauf von Billigmode verbessert die CO2-Bilanz nicht. Einzig bei Outdoor- und Premium-Modeartikeln scheinen Pre-Owned-Strukturen halbwegs wirksam.

28.09.2023
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H&M-Werbesujet für «Pre-loved»-Aktion in den USA | Bild: PD H&M
Pre-loved lautet das neue Zauberwort der Modehersteller im Bestreben um eine klimafreundlichere Branche. So nennen sich etwa die Aktivitäten des schwedischen Konzerns H&M, um gebrauchte Kleidung wieder in den Handel zu bringen. Bei C&A läuft das entsprechende Projekt unter dem Titel We take it back («Wir nehmen es zurück»), Zara nennt seines Pre-owned.
Nun zeigt eine Studie des Wiederverkaufs-Strategieunternehmens Trove and Worldly, dass diese Bemühungen für die Katz sein könnten.
Wiederverkäufe lohnen sich demnach nur für Hersteller und Händler der Segmente Outdoor- und Premium-Mode. Bei Produzenten im Segment Fast Fashion wie den oben genannten bleibt Secondhand-Handel hingegen Augenwischerei – mit Greenwashing-Risiko.
Trove-Worldly-Bericht
Der Grund: Bereits getragene Fast-Fshion-Artikel werden wegen ihres tiefen Neuanschaffungspreises und geringen Renommees kaum nachgefragt und erzielen daher mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Preise, die das Geschäft rentabel und damit wirtschaftlich nachhaltig machen würden.
Für Mittelklasse-Brands wiederum lohnt sich laut der Untersuchung der Aufwand, «Resale» zu betreiben, wirtschaftlich kaum – und ihre ökologische Bilanz wird dabei nur wenig verbessert. Zielführender für eine CO2-Reduktion sei es für sie, in der Textiliproduktion vermehrt Recyclingmaterial zu verwenden sowie energieeffizientere Maschinen und Transportmittel einzusetzen. Dies gilt allerdings auch für alle anderen Produktsegmente.

Ein Viertel des Umsatzes mit Reselling

Ökologisch und ökonomisch lohnend kann Reselling für Outdoor- und Premium-Marken sein. Sie stellen Produkte her, die wegen ihrer hohen Qualität und – in vielen Fällen – durch ihren Namen Wiederkäufer finden. Die Hersteller und Händler in diesen Sektoren könnten bis zu einem Viertel ihres Umsatzes durch Wiederverkäufe bestreiten, ohne sich damit selbst zu kanibalisieren, kommt die Untersuchung zum Schluss. Denn die Margen, die im Wiederverkauf mit Premium-Produkten erreicht werden, können die damit projizierten Verluste beim Handel mit Neuwaren kompensieren.
Die Analysten entwickelten für die Untersuchung drei Szenarien mit fünf prototypischen Modeartikeln: einer Handtasche im Premiumsektor und jeweils einem für das Segment typischen Kleidungsstück (Outdoor, mittelpreisig, Sportmode, Fast Fashion).
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Lesebeispiel: der Premiumartikel Handtasche kostet im Schnitt 377 Dollar und verursacht 16 kg CO2 | Quelle: Bericht Trove and Worldly
Dann wurde berechnet, was für diese Produkte an CO2-Einsparungen durch eine optimale Supply-Chain-Dekarbonisierung und durch Wiederverkäufe der Artikel möglich ist.
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Lesebeispiel: Bei Outdoor-Artikeln lässt sich der CO2-Verbrauch durch Optimierung in Herstellung und Transport von 12,5 auf 9,2 und durch Reselling auf 7 kg CO2 vermindern.
Die Analysten schliessen aus den Zahlen, dass sich Billigmode-Anbieter durch den Wiederverkauf ihrer Produkte kaum eine CO2-Verminderung für ihre Umweltbilanz erhoffen können.
Hersteller und Händler von Modeartikeln im mittleren Preis- (und Qualitäts)segment sowie von Sportmode wiederum können ihre Klimabilanz auf diese Weise nur geringfügig – konkret um etwa einen zusätzlichen Zehntel – verbessern. Ob durch Reselling am Ende ein nachhaltiges Geschäft wird, bezweifelt die Studie.
Für Produzenten von Outdoor- und hochpreisiger Mode hingegen lohnt sich der Einstieg ins Secondhand-Geschäft dagegen sowohl wirtschaftlich, als auch ökologisch. Diese Einschätzung entspricht den Ergebnissen einer kürzlich veröffentlichten Studie der Prüfungs- und Beratungs-Gesellschaft PwC für den deutschen Markt. Laut dieser sind die entscheidenden Treiber im Reselling-Markt Luxus- und Markenartikel. Dank ihnen könnten sich die Umsatzzahlen in drei Jahren von 3 auf bis zu 6 Milliarden Euro erhöhen.
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