Nur ein Sechzehntel der in der Schweiz verbrauchten Rohwaren stammt aus Recycling-Kanälen. 93 Prozent hingegen ist so genanntes
Virgin material, also Neumaterial. Das zeigt ein
Bericht des Prüfungs- und Beratungsunternehmens Deloitte Schweiz sowie des Interessenverbandes für Kreislaufwirtschaft «Circular Economy Switzerland».
Die Schweiz liegt diesen 7 Prozent an rezyklierten Rohwaren knapp unter dem globalen Durchschnitt, aber über Ländern wie Schweden oder Schottland.
In Tonnen: Der Verbrauch an neuen Materialien in der Schweiz liegt bei 163 Millionen Tonnen – bei einem Gesamtmaterialverbrauch von 175 Millionen Tonnen. Das ergibt 12 Millionen Tonnen mit Recycling-Ursprung.
Von den 175 Millionen wiederum stammen 135 Millionen aus dem Ausland. Und 60 Millionen davon werden für beständige Produkten wie Häuser oder Maschinen eingesetzt.
Von 7 auf 12 Prozent «zirkuläre» Rohstoffe
Der Bericht beziffert das Potenzial für Rohmaterial, das bis ins Jahr 2030 aus einer Schweizer Kreislaufwirtschaft gewonnen könnte, mit rund einem Drittel. Das würde eine Steigerung des Anteils an rezyklierten Rohmaterialien von 7 auf 12 Prozent bedeuten.
Der Bericht «Deloitte Circularity Switzerland» legt Strategien für die Senkung des Materialverbrauchs vor, die den gesamten Rohstoffkonsum um 33 Prozent auf 110 Millionen Tonnen senken und damit den Schweizer CO2-Fussabdruck um 43 Prozent auf 65 Millionen Tonnen CO2 reduzieren könnten.
Konsumgüter werden kaum rezykliert
Rund 40 Prozent des Materialverbrauchs der Schweiz geht in Konsumgüter, die nicht wieder verwendet werden, obwohl es möglich wäre. Die meisten dieser Waren mit einer Masse von 70 Millionen Tonnen werden importiert.
Ein weiteres Drittel landet in langlebigen Gütern wie Häuser und Maschinen («Reserves and Stocks» im Diagramm unten).
Fast 10 Prozent sind so genannte Non-circular Inputs, also Rohstoffe wie Erdöl- oder Erdgasprodukte.
Weitere rund 10 Prozent bestehen aus CO2-neutraler Biomasse, die von der Land- und Holzwirtschaft erwirtschaftet werden und ebenfalls vermehrt in die Kreislaufwirtschaft einfliessen könnten, so der Bericht.
40,9 Prozent («Non-renewable inputs») sind Konsumgüter, die rezykliert werden könnten (aber meist nicht werden) | Quelle:
Die Interessengruppe Cicrular Economy Switzerland hat dazu eine Roadmap aufgestellt, die bis 2050 eine Vervierfachung des Anteils von wieder verwerteten Rohmaterialien vorsieht, so dass deren Anteil am Gesamtverbrauch von 7 auf 28 Prozent steigen würde. Damit soll der CO2-Fussabdruck der Schweiz in Bezug auf Rohmaterialien um 90 Prozent sinken.
Ziele in der Lebensmittelherstellung
In einem Diskussionspanel zur Veröffentlichung des Berichts wurde klar: Einen wichtigen Part in der Etablierung einer Kreislaufwirtschaft spielt die Nahrungsherstellung. Hier seien es vor allem zwei Punkte, die bei der Reduktion der Verwendung von Neumaterial eine wichtige Rolle spielen:
- Dünger: Der Dünger auf Schweizer Äckern wird hauptsächlich importiert und macht einen Grossteil des Rohmaterial-Verbrauchs des Foodsektors aus. Hier brauche es Alternativen.
- Foodwaste: Gegenwärtig gelingt es den Akteuren in der Schweiz, 25 Prozent der Nahrungsmittel vor Foodwaste zu retten. Diese Quote könne relativ einfach erhöht werden.
Doch auch die herstellende Industrie müsse «zirkulärer» werden: Es bleiben laut dem Bericht lediglich ein paar Jahre, um die herstellende Industrie auf die Verwendung von Recylingmaterialien umzustellen, damit die ambitionierten Ziele des Berichts erreichbar werden.
Mietmodelle als Option
Christine Roth, Umweltverantwortliche beim Maschinenhersteller-Verband Swissmem, sprach sich – neben der Verwendung von rezyklierten Materialien – für eine Stärkung von Mietmodellen («Product-as-a-service») aus.
Sie betrachtet die Zahlen, die der Report als Ziele vorgibt, vor allem als gutes Kommunikationsmittel, um die Botschaft zu verbreiten. Dennoch müsste man die spezifischen Verhältnisse der Schweizer Wirtschaft noch fokussierter betrachen, um Lösungen zu finden.
Aufruf zum Handeln
Die Studie macht klar: eine 100-prozentige Kreislaufwirtschaft ist nicht machbar. Dem Kreislaufsystem seien technische und praktische Grenzen gesetzt, und einige Materialien würden immer für den Aufbau von Lagerbeständen benötigt werden. Um eine möglichst hohe Wiederverwendungsquoten zu erreichen, richten die Autoren Handlungsaufrufe an:
1. Multi-Stakeholder-Netzwerke, die Wissen und Erfahrungen effizient innerhalb verschiedener Interessengruppen (Industrie, Universitäten, Regierungen) vermitteln können.
2. Staatliche Akteure, die etwa Kreislaufkriterien in ihre öffentlichen Beschaffungsstrategien einfassen und es in Kauf nehmen, wenn zusätzliche Initialkosten entstehen.
3. Die Politik, die kreislauforientierten Unternehmen durch Steuererleichterungen unterstützt und zum Beispiel ein «Recht auf Reparatur» oder ein Verbot von Einwegprodukten einführt.
4. Geldgeber wie Banken oder Venture-Kapitalisten, die neue Geschäftsmodelle und den Übergang von der linearen zur Kreislaufwirtschaft mittels Kapital für Startups und Innovationsprojekte zur Verfügung stellen.