Carrefour-Chef Alexandre Bompard inszeniert sich und seinen Handels-Konzern schon seit Monaten als pfiffige Kämpfer gegen die Inflation
(Beispiele hier, hier, hier). Und in dieser Woche brachte er sich in Frankreich definitiv landesweit ins Gespräch.
Seit Montag zeichnet Carrefour in seinen Supermärkten alle Produkte knallig aus, bei denen die Hersteller zur «Shrinkflation» griffen; Produkte also, bei denen die Verpackungen zwar kleiner, die aber nicht billiger wurden. Jetzt lesen die Kunden also neben Lindt-Schokoladen, Lay's Chips oder Lipton-Eistees auf orangen Schildern, dass weniger drin ist – und dass Carrefour dagegen etwas tun will.
Auch Intermarché, ein anderer grosser Detaillist, begann damit, Shrinkflation-Produkte in den Läden auszuzeichnen.
Die Hersteller zögern
Schlau ist das, weil die Händler damit den Schwarzen Peter den Herstellern weiterreichen.
Schlau ist es, weil sie der Politik Wind aus den Segeln nehmen. Denn Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire plant, die Unternehmen per Gesetz zu zwingen, Gewichtsänderungen prominenter auszuweisen. Und so etwas braucht es ja nicht, wenn die Händler das gleich selber tun.
Schlau ist es schliesslich, weil sich Carrefour auf allen TV- und Medien-Kanälen als Robin Hood der gepeinigten Kundschaft darstellen kann.
Und wie war's beim Mischsalat?
Sollte man meinen. In den Debatten seit Montag wird das Bild aber zwiespältiger. Zwar hält sich die Industrie eher zurück: Lediglich der Chef des TK-Herstellers Findus wehrte sich in einem offenen Brief – und erklärte, weshalb er mit seinen Pommes rissolées rote Zahlen schreiben würde, wenn er die Paket-Füllung nicht gesenkt hätte.
- Ein Lob der Schrumpflation. Die Kunden akzeptieren eher verkleinerte Verpackungen als erhöhte Preise. Aber die ideale Lösung liegt in der Mitte.
Überraschender Gegenwind kam allerdings von der Konsumentenseite. Auf
«France Info» wies ein Experte darauf hin, dass Carrefour in anderen Fällen zwar nicht die Preise und auch nicht das Volumen senkte – aber die Qualität.
Und ein Vertreter des Konsumentenverbandes «
60 millions de consommateurs» zählte auf diversen Kanälen lustvoll Fälle auf, in denen Carrefour selber «Shrinkflation» betrieben hatte. So habe sich der Retail-Konzern im Frühjahr überall als Preisbrecher und Anti-Inflations-Adresse präsentiert – doch um das zu schaffen, habe sich Bompards Team einiger Tricks bedient. Dass Carrefour damals Gemüse, Mischsalate oder Kartoffeln zu Paket-Preisen unter 0,99 Euro abgeben konnte, ging nur, weil der Konzern an den Grammangaben schraubte.
Die «Shrinkflation» wird an einem Ort angeprangert, wo sie besonders krass grassiert: in den Medien.
Ohnehin sei das Shrinkflation-Problem ein Randthema: In der Carrefour-Pranger-Liste fänden sich etwa 150 Artikel – was bei 10'000, 20'000 oder 30'000 Produkten in einem Super- oder Hypermarché nun wirklich nicht viel sei. Kurz: Was der Retail-Riese da biete, sei einfach eine «besonders aufgeblähte Kommunikations-Übung».
«Heuchelei»
Ins gleiche Horn stiess auch der bekannteste Retail-Blogger im Land, Olivier Dauvers. In der
«Tribune Grande Conso» spach er von «Heuchelei auf allen Etagen»: Erstens sei das Problem so alt wie der Handel selbst. Zweitens hätten es alle heutigen Detailhändler immer auch Shrinkflation genutzt (wobei Dauvers eigene Beispiele von Carrefour aufführte). Drittens kümmere sich die Politik höchstens mit populistischer Absicht darum.
Und viertens – so Dauvers wonnig – werde die «Shrinkflation», jetzt an einem Ort angeprangert, wo sie besonders krass grassiert und wo alles stetig ausgedünnt wurde: nämlich in den Medien….