Migros: Warten auf den ganz grossen Paukenschlag

Der M-Konzern kündigt die grösste Produktinnovation seiner Geschichte an. Wir glauben: Das ist nicht geflunkert. Und doch ist es übertrieben.

29.08.2022
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Ein Migros-Partyboot? Etwa so? — Laden-Schiff der Migros Türkei   |  Bild: PD Migros Türk T.A.S.
Die Einladungen gingen am Mittwoch raus: Eine PR-Agentur aus Berlin kündigte die «größte Produktinnovation in der Unternehmensgeschichte der Migros» an und lud zur Lancierung.
Datum: Dienstag, 6. September 2022. Ort: MGB-Konzernsitz in Zürich. Gastgeber: Fabrice Zumbrunnen, Präsident der Generaldirektion des MGB.

Ein Mespresso?

Ein paar Tage blieb es ruhig, doch erwartungsgemäss startete die Sonntagspresse dann den Spekulationsreigen. Die «Schweiz am Wochenende» schrieb, es handle sich wohl um ein neues, nachhaltiges Kaffee-System mit biologisch abbaubaren Kaffeeportionen – «also ohne Aluminium- oder Plastik-Hülle, wie man es von Nespresso-Kapseln und deren Kopien kennt.» Ein Hinweis darauf sei, dass die Migros im Herbst ein Markenlogo für «Coffee B» eintragen liess.
Worauf die «Handelszeitung» einwandte, dass solch ein Kaffee-System kaum als grösste Innovation aller Migros-Zeiten gelten könnte. Immerhin mische der M-Konzern seit bald zwei Jahrzehnten im Kaffeekapsel-Business mit. Und nachhaltige Nespresso-Alternativ-Systeme gibt es auch schon allerlei.

Ein M-Stromer? Ein Solardach?

Der erste Gegenvorschlag der «Handelszeitung» spies sich ebenfalls aus dem Markenregister: Danach sicherte sich die Migros jüngst diverse Marken, die auf Elektromobilität und Auto-Abos deuten. Also: Der Retailer könnte einen M-Stromer vorstellen.
Zudem würden Migros-Insider über ein Angebot für Solarsstrom spekulieren, beispielsweise ein M-Solardach.

Eine M-Krankenkasse?

Zu den strategischen Hauptinteressen von Fabrice Zumbrunnen könnte zudem ein Paukenschlag im Gesundheits-Bereich passen. Das «oft sehr traditionelle Geschäft im Gesundheitssektor würde durchaus Raum lassen für die 'grösste Produktinnovation in der Unternehmensgeschichte'», analysiert die «Handelszeitung» – und zitiert einen anonymen Insider mit der Vermutung: Die Migros werde womöglich eine neuartige Krankenkasse respektive Krankenversicherung vorstellen.
Doch bieten Markenregister-Einträge überhaupt taugliche Hinweise?
Das Problem: Es gibt arg viele davon. Beim Institut für Geistiges Eigentum hat sich die Migros fast 3'000 Marken gesichert. In den letzten Monaten hinterlegte der Konzern beispielsweise auch Brands mit Namen wie «Strong Body. Strong Mind. Strong Me.» und «The New Strong», wo es wohl um Sportartikel geht.
Oder «Mivisto» für Optikerangebote. Oder «MCircle» – offenbar für den IT- und Softwarebereich. Oder «Vitaminfranken», was sich um Food-Ergänzung aller Art drehen dürfte.

Die grosse Traceability-Revolution?

Da gibt es also sehr, sehr viel Luft für neblige Andeutungen. Ähnliches gilt für «Insider». Gemunkelt wird zum Beispiel auch, dass die Migros ein umfassendes System zur Rückverfolgbarkeit all ihrer Food-Produkte präsentieren dürfte. Danach könnten Migros-Kunden bald per App nachschauen, von welchem Hof das Schnitzel kam und wie es in die Kühltruhe gelangte.
Immerhin hatte die Migros in jüngster Zeit fleissig Stellen ausgeschrieben, die zeigen, dass hier was läuft. Und im Schnittpunkt von Logistik und Datenmanagement hat der Konzern schon mehrfach ehrgeizige Standards gesetzt.

Was ist grösser als Duttis Lastwagen-Läden?

Bleibt die entscheidende Frage: Wie gross muss eigentlich eine Innovation sein, um als grösste Erfindung der Migros-Geschichte gelten zu können?
Grösser als der rollende Supermarkt zu Duttis Zeiten? Grösser als die Klubschulen? Oder bloss grösser als der hauseigene Eistee (ein US-Import, mit dem die Migros bekanntlich eine ganze Gattung auf den Schweizer Markt brachte)?
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Rasch merkt man: Die Frage hat sofort etwas Spielerisches. Deshalb liegt ein anderer Verdacht auf der Hand: Die «größte Produktinnovation in der Unternehmensgeschichte» bezieht sich nicht auf die Bedeutung – sondern aufs Format. Hier kommt einfach ein voluminöses Ding auf den Markt.
Das würde auch gut zum Kommunikationsstil der Migros passen, die bekanntlich gern mit einem Augenzwinkern arbeitet.
Und jetzt kann man wieder fröhlich weiterspekulieren.
Das erwähnte E-Auto wäre durchaus ein recht grosses Objekt. Und am Ende gebärt der Berg ja vielleicht eine MHaus.
Variante B: Es gibt wirklich nur irgendetwas zu trinken. Was dann schlimmstenfalls zur allgemeinen Diskussion darüber führen könnte, ob die Migros hier die grössten Kommunikationsbock ihrer Geschichte geschossen hat.
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