Fleischersatz: Nicht alle Detaillisten haben 2022 mehr verkauft

Der «Veguanary» 2023 wird spannend: Bei den Schweizer Händlern wächst der Umsatz mit pflanzenbasierten Fleischersatzprodukten. Aber die Kurve flacht ab. Migros meldet sogar einen Rückgang.

30.12.2022
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Fleischersatzsortiment von Coop | Bild: PD Coop
Auf Plakaten, in den Filialen der Detailhändler und auf den sozialen Medien sind sie nicht zu übersehen: vegane Produkte, die Fleisch ersetzen. Der Umsatz damit betrug laut dem letzten Coop Plant Based Report im Jahr 2021 rund 90 Millionen Franken – inklusive Fischersatzartikeln.
Gleichzeitig wurde in der Schweiz über 50 Mal mehr Geld für Fleisch ausgegeben: rund 5 Milliarden Franken. Noch immer ist Fleisch damit eindeutig die wichtigste Sortimentskategorie der Detailhandelsketten. Und eine der gewinnbringendsten.
Die Metzg im Supermarkt stellt die Plantbased-Ecke nebenan ökonomisch völlig in den Schatten.

Migros: Leichter Rückgang

Dass sich 2022 an diesem Verhältnis etwas geändert hat, ist zu bezweifeln. Eine Umfrage bei den Lebensmittelhändlern Migros, Coop, Denner, Spar, Aldi, Lidl und Manor zeigt, dass die Sparte branchenweit zwar weiterhin wächst. Zu Euphorie inspirieren die Verkäufe allerdings kaum.
Die Migros berichtet sogar von einem leichten Umsatzrückgang bei Fleischersatzartikeln. «Nach einer Phase starken Wachstums während Corona und aufgrund der allgemein angespannten Weltlage, kommt diese Entwicklung nicht überraschend», so die Migros-Medienstelle. Allerdings: «Die Prognosen für die Zukunft sehen wir positiv.»
Zurzeit arbeitet der Detailhändler «an der Weiterentwicklung unserer Rezepturen, um die Produktqualität weiter zu steigern sowie an einem Sortimentsangebot, welches die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden optimal bedient». Mit anderen Worten: Die Kundschaft wartet auf Produkte, die den Originalen noch näher kommen.
Veganuary: Testzeit für Pflanzenbasiertes
Dass die Konsumenten im «veganen Januar» den Fleischkonsum reduzieren, ist eher Wunschdenken denn Realität. Hingegen werden dann vermehrt vegane und pflanzenbasierte Produkten eingekauft.
Lidl etwa verzeichnete im Januar 2022 – verglichen mit dem Januar 2021 – eine Umsatzsteigerung bei der vegetarischen Eigenmarke Vemondo um 100 Prozent.
Das macht den Monat für die Detailhändler zur idealen Zeit, um die Akzeptanz neuer «pflanzenbasierter» Produkte zu testen.
Aldi hievt im Januar «jeweils kurzzeitig viele zusätzliche pflanzenbasierte Alternativen» in die Regale – «zum Entdecken und Ausprobieren», zum Beispiel vegane Cevapcici.
Und Denner nimmt «demnächst» ein «vegetarisches Pouletbrüstchen und Vuna (vegane Alternative zu Thon)» ins Sortiment auf.
Inzwischen werden die Angebote nicht nur ausgebaut: Es fallen auch laufend Artikel aus den Sortimenten. «Die Ein- und Auslistungen während des Jahres bewegen sich im normalen Rahmen», schreibt etwa die Migros. Damit ist gesagt, dass die Anzahl unterschiedlicher Fleischersatzprodukte nicht in den Himmel wächst, sondern allmählich ein Plafond erreicht hat.
Auch bei der Konkurrenz klingen die diplomatisch gewählten Worte zum Teil wenig enthusiastisch. Spar spricht von einem leichten Wachstum «auf tiefem Niveau» in diesem Jahr.
Manor meldet «stabile Verkaufzahlen». Das Handelshaus nahm 2022 sechs Produkte aus dem Sortiment, während 25 neue eingelistet wurden.
Coop, Vorreiterin beim Thema, verweist zunächst auf die Informationen, die im «Plant based report» vom Januar 2023 erscheinen werden. Ansonsten verzeichnen die Coop-Supermärkte «auch im aktuellen Jahr weiterhin eine hohe Nachfrage nach unseren vegetarischen und veganen Produkten». Ob diese auf hohem Niveau eher steigt oder stagniert, führt Coop nicht aus. Aber: «Mit der Entwicklung der Nachfrage sind wir sehr zufrieden.»

Discounter sehen starke Nachfrage

Einen Nachholbedarf spüren offenbar die Späteinsteiger Aldi und Lidl. «Sehr zufrieden» zeigt sich Lidl Schweiz: «Auch während des aktuellen Jahres wurden diese Produkte stark nachgefragt.» 2021 stieg der Absatz um 60 Prozent gegenüber Vorjahr, so der Discounter.
Aldi hat «dieses Jahr nochmals einen deutlichen Anstieg in der Nachfrage im Vergleich zum letzten Jahr verzeichnet». Das Sortiment habe man um mehr als die Hälfte ausgebaut. Zu den Topsellern gehöre vegetarischer Aufschnitt. Aldi baut «das vegane und vegetarische Sortiment auch nächstes Jahr weiter aus».
Die vorsichtige Prognose: «Wir gehen davon aus, dass die Tendenz bei Fleischalternativen weiterhin nach oben zeigen wird.»
Discount-Konkurrent Denner zeigt sich «sehr zufrieden mit der Entwicklung» der Verkäufe von Fleischersatz. Die steigende Nachfrage zeige, «dass auch im Discountkanal eine wachsender Markt für Fleischersatzprodukte besteht».

In Zukunft: Fleischersatz aus dem Labor?

Keineswegs sicher ist allerdings, ob das Wachstum in diesem Segment auch in den kommenden Jahren von pflanzenbasierten Produkten gesteuert wird. Inzwischen steckt die Industrie nämlich mehr Geld in die Entwicklung von Fleisch, das aus Fermentierung oder Kultivierung gewonnen wird, denn in jene für Plantbased-Lebensmittel.
Die Technologien sind noch nicht marktreif, doch macht die Produktion von fermentiertem und kultiviertem Fleisch und Fisch rasche Fortschritte.
Für Fermentierung und Kultivierung von Fleisch spricht in erster Linie die Tatsache, dass daraus the real thing entsteht, das wie Fleisch schmeckt und verarbeitet werden kann.
In Singapur steht die Markteinführung solcher Produkte kurz bevor. Aber auch die Schweizer Detailhändler Coop und Migros stecken in den Startlöchern: Beide haben in Startups investiert, die kultiviertes Fleisch entwickeln.
Und selbst das mittelgrosse Schweizer Gastrounternehmen SV Group hat sich am US-Unternehmen Aqua beteiligt, das Meeresfrüchte aus Fermentation auf Pilzbasis gewinnen will.
Den Startschuss für den Fleisch- und Fischersatz der zweiten Generation könnten die Regulierungsbehörden in Europa und den USA bereits im nächsten Jahr geben. Danach wird sich zeigen, welche Ersatzprodukte sich bei den Konsumenten durchsetzen können.
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