Es ist egal, dass die Toblerone bald aus der Slowakei kommt

Die globale Kundschaft nimmt die Herkunft von Produkten nicht mehr so wichtig. Sie braucht auch kein Matterhorn auf der Verpackung.

13.03.2023
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97 Prozent der Produktion geht in den Export: Mann mit Toblerone-Schachtel in Pjöngjang, Nordkorea, 2012. |  Bild: Ksealone / Wikimedia Commons.
Eines der «Schnurri-Themen» der Woche ist die Toblerone – beziehungsweise das Matterhorn und der «Swiss Made»-Stempel. Diese Hinweise auf die Schweizer Herkunft müssen von der Toblerone-Packung verschwinden, weil die berühmte Dreiecks-Schokolade bald auch in Bratislava hergestellt wird.
In den Leserbrief- und -Kommentarspalten scheint es recht klar, dass Toblerones Mutterkonzern Mondelez damit ein grosses Risiko eingeht – weil er eine grandiose Marke verwässert. Und weil ein wichtiger Qualitäts-Begriff verschwindet: Swiss Made.
Oder würden Sie eine Rolex, die in der Slowakei gebaut wurde, gleich viel bezahlen? Eben.
Aus aktuellem Anlass prangerte der «Sonntagsblick» wieder mal an, dass die vermeintlich schweizerische Schoggi vielfach im Ausland hergestellt wird. Zum Beispiel kommt über ein Drittel der Lindt&Sprüngli-Artikel in unseren Läden aus Frankreich oder Deutschland.
Aber gerade dadurch bewies der Text etwas anderes – nämlich dass der Produktionsort die Kundinnen und Kunden offenbar wenig kümmert.

«Schweizerisch oder sehr ähnlich»

Die Marketing-Profis sehen Toblerones Matterhorn-Problem denn auch gelassener als die Allgemein-Medien. Auf Radio SRF meinte der Werber Frank Bodin zum Redesign: «Ich vermute, dass die neue Verpackung kaum negative Auswirkungen haben dürfte, denn die Anmutung ist ja nach wie vor sehr schweizerisch und sehr ähnlich wie zuvor.»
Und weiter: «Dass das Matterhorn nun eher wie der Mount Everest aussieht, dafür muss man schon sehr genau hinschauen.»
Eine sehr pointierte Stellungnahme gab dann der britische Marketingprofessor Mark Ritson ab. Im Fachblatt «Marketing Week» befand er, es sei letztlich egal, dass das Matterhorn durch einen generischen Allerwelts-Berg ersetzt wird.
  • Mark Ritson: «Toblerone’s brand image won’t be hurt by losing the Matterhorn», in: «Marketing Week», März 2023.
Denn erstens sei Mondelez fähig, Markenveränderungen sachte und schmerzlos durchzuführen. Zweitens sei die Toblerone ja selber weltbekannt geworden ohne das Matterhorn. In der Tat wurde der Berg erst im Jahr 1970 dem Verpackungsdesign beigefügt.
Er sei sicher, so Mark «Marketing» Ritson, dass jeder halbwegs schweizerisch aussehende Berg 99,999 des Marktes zufriedenstellen wird. «Nur die 0,001 Prozent der Konsumenten, die sich auf Marketing-Twitter herumtreiben, werden es überhaupt bemerken.»
Und insgesamt gebe es unzählige Fälle, wo eine Marke und ihre Verpackung erfolgreich in sanften Schritten einer neuen Zeit angepasst wurde.

«Made in China»: Wo ist das Problem?

Auch beim zweiten Punkt dürfe Mondelez gelassen bleiben, so der Marketing-Experte weiter: Der Wechsel von der Schweiz in die Slowakei werde kaum zum Aufstand der Schoggi-Freunde führen. In der heutigen globalisierten Welt sei die Herkunft längst nicht mehr ein so wichtiger Aspekt der Markenführung.
Das Beispiel von Ritson: Apple. Auf jedem iPhone steht zwar «Designed by Apple in California»; aber alle Käufer wissen, dass ihr Gerät «Made in China» ist; und keinen stört es. Denn am Ende ist das iPhone halt doch irgendwie ein Produkt Amerikas.
Kurz: Die Menschen verlangen längst nicht mehr die totale Reinheit bei der Herkunft. «Den Kunden reicht es völlig, ein Image der Provenienz zu konsumieren, das nicht in direktem Kontrast zur Realität steht.»
Und so werde auch die Toblerone keine Probleme kriegen, wenn nicht mehr aus Bern-Brünnen kommt und ein bisschen anders aussieht. «Sie wird weder durch die slowakische Herstellung noch durch den fehlenden Schweizer Berg auf der Verpackung an Unverwechselbarkeit oder Umsatz einbüssen. Sie wird grössere und bessere slowakische Produktionsstätten bekommen, einen schweizerisch aussehenden Nicht-Schweizer Berg und einen schönen Sprung im Umsatz.»
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