Ebbe im Neuland: Die Hersteller sind nicht mehr so innovativ

2022 kamen massiv weniger Neuheiten in den Handel. Europas Konsumgüter-Industrie ist offenbar verunsichert.

8.08.2023
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Wurde 2022 lanciert: Bio-Chips der dänischen Marke Crave | Bild von: on Unsplash
Nestea, Wrigley-Kaugummi, Punica-Saft: Das deutsche «Handelsblatt» zählte kürzlich auf, welche bekannten Konsumgütermarken in den letzten Monaten vom Markt verschwanden – oder zumindest von einigen Ländermärkten. Ein Grund dafür sind die Eigenmarken der Detailhändler. Ein anderer: Viele mittelprächtige Brands sehen sich intensiv von Innovationen bedrängt – von Produkten, die oft von Startups in den sozialen Medien kräftig beworben werden.
Dass es neue Produkte im Bereich Fast Moving Consumer Goods insgesamt schwer haben, zeigt nun eine Studie der Marktforschungsfirma Circana; sie hat die Anzahl Innovationen in den Ladenregalen und im Onlinehandel Europas zusammengefasst.
Ein denkwürdiges Resultat: Die Hersteller lancierten 2022 ein Sechstel weniger neue Produkte als im Vorjahr. 144'000 statt 173'000, um genau zu sein.
Am meisten Innovationen bei Tierbedarf und TK
Zugenommen hat die Zahl von Produkteeinführungen zwischen 2021 und 2022 nur in den Bereichen Tierbedarf und Tiefkühlartikel (TK), und zwar um je 40 Prozent. Auch der Bereich Babynahrung ist ein wachsendes Geschäftsfeld in puncto Innovationen. In diesem Segment wurde dank neuen Produkten 6 Prozent mehr umgesetzt.
Nachhaltig, vertrauenswürdig und passend zum eigenen Lebensstil: So sollen neue Produkte für europäische Konsumenten laut der Circana-Studie sein. Dazu aber auch preisgünstig und leicht erhältlich.
Ermittelt wurden die Ergebnisse durch Umfragen in Frankreich, Italien, Deutschland, Spanien, Grossbritannien und Holland.
In Frankreich, Europas grösstem Markt für FMCG-Güter mit Playern wie Danone, L'Oréal oder Lactalis, sank die Zahl um mehr als 25 Prozent auf knapp 20'000. Weniger Innovationen würden die Tatsache widerspiegeln, dass Hersteller und Detailhandel den bestehenden Kernsortimenten Priorität geben, um die Verfügbarkeit in den Regalen aufrechtzuerhalten und Volumen und Marktanteile zu sichern, so die Analysten von Circana.
Der Rückgang könnte aber auch zusammenhängen mit dem schwindenden Vertrauen «in die Erzielung von Spitzenpreisen, die typischerweise mit neuen Produkten verbunden sind». Die Produzenten würden mit inflationären Turbulenzen kämpfen, ferner mit dem Risiko, im Wettbewerb um Regalflächen keinen Platz für die Neuprodukte zu bekommen; «insbesondere in einer Zeit, in der die Branche einen Rückgang der Verkaufszahlen von FMCG-Produkten erlebt».
Interessant ist, dass kleinere und mittelere Anbieter für 75 Prozent aller neu eingeführten Produkte verantwortlich sind und 68 Prozent zum Gesamtumsatz mit neuen Produkten beitragen.
Tatsächlich gibt es laut der britschen Fachzeitschrift «Grocery Gazette» in den letzten Jahren einen Trend, dass Startups bei den Innovationen das Tempo vorgeben, nicht die Grossen der Branche. Diese Entwicklung sei vor allem im Foodbereich spürbar. Die Neuen werben dann meist direkt über Soziale Medien wie TikTok, Instagram oder Youtube. Und sie sprechen dabei insbesondere Jugendliche an, die besonders affin für Konsumneuheiten sind.
Etablierte Brands geraten so unter Druck, Neues zu produzieren, um ihre Marktanteile zu halten – und ältere vom Markt zu nehmen, weil sie nicht mehr performen. Damit die im Vergleich hohen Kosten für Entwicklung und Markteinführung eingespielt werden können, müssen sich die neuen Produkte auf dem Markt durchsetzen.
Für die grossen Konzerne ist das wiederum schwieriger als für die Newcomer, da sie meist traditionelle Absatzkanäle im Detailhandel bedienen, während kleinere auch über digitale Outlets direkt und schnell bekannt werden und liefern können.
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