«Keine Spur» von Gierflation in der Schweiz?
Eine Analyse aus dem Seco wendet sich gegen die These, dass die Unternehmen derzeit speziell absahnen und von der Teuerung profitieren.
11.09.2023Zwei Bundes-Experten, zwei Meinungen: Eric Scheidegger, Seco – Stefan Meierhans, Preisüberwacher | Bilder: Admin.chAnfangs der letzten Woche machte Preisüberwacher Stefan Meierhans wieder einmal klar, dass er diverse Unternehmen der «Gierflation» verdächtigt. Das heisst: Die Firmen nützen es aus, dass allgemein die Preise steigen und setzen ihre eigenen Preise nochmals einen Tick höher – sie weiten ihre Margen aus.
Nun kommt aber amtlicher Widerspruch. In der neusten NZZ bietet Seco-Vize-Chef Eric Scheidegger eine Gegen-Position mit einem recht deutlichen Titel: «Keine Spur von Gierflation in der Schweiz». Die genaue Analyse zeige, dass es keine Anzeichen für den oft beklagten Mitläufer-Trend gebe.
«Willkommene Gegenbewegung»
Zum einen sei die Inflation in der Schweiz ohnehin recht tief – der entsprechende Spielraum wäre also begrenzt. Zwar hätten sich die Margen in den letzten Monaten tatsächlich in einigen Branchen verbessert, insbesondere im Gastgewerbe. Doch dies sei bloss eine Korrektur nach den coronabedingten Einbrüchen von 2020 und 2021.
«Alles in allem lässt der Blick auf die Margenentwicklung keine Spuren einer allgemeinen "Gewinngier" erkennen», so Scheidegger: «Die Entwicklung kann als notwendige und willkommene Gegenbewegung zum Krisenjahr 2020 interpretiert werden.»
Absahnen tut auch der Staat
Überhaupt sei der Anteil der Arbeitnehmer an der Volkswirtschaft (BIP) in den letzten zwanzig Jahren deutlicher gestiegen als die Kapitaleinkommen, so Scheidegger, der im Wirtschafts-Staatssekretariat des Bundes die Direktion Wirtschaftspolitik leitet. Oder mit anderen Worten: Die Unternehmen sahnen nicht so sehr ab, wie es jüngst immer dargestellt wurde.
Es sei zwar möglich, dass in einzelnen Bereichen, wo es zuwenig Wettbewerb gibt, gewisse «Renten» abfallen. Doch so etwas gebe es «typischerweise auch bei staatlich regulierten Preisen, regulierten Infrastrukturmärkten oder abgeschotteten Agrarmärkten» – also nicht unbedingt bei Detailhändlern oder FMCG-Hestellern.
Was gilt also nun? Was ist davon also zu halten? Die Daten aus dem Detailhandel im letzten Jahr und im ersten Halbjahr 2023 deuten in der Tat an, dass die Retailer durch den Preisdruck eher in Schwierigkeiten kommen – nichts da von Inflationsparty. Andererseits konnten gewisse grosse Markenhersteller konnten in diesen Inflationszeiten durchaus ihre Margen (beziehungsweise sowie ihren «Price-Mix», wie es jeweils in den Finanzbericht heisst) verbessern.
- «Shrinkflation»: Carrefour stellt Hersteller an den Pranger. Der Retail-Riese zeichnet alle Produkte aus, deren Packungsmenge sich verkleinert hat, ohne dass der Preis auch gesunken wäre.
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