Regenerative Agriculture (kurz: Reg Ag) wurde in den USA erfunden. Und es ist als Slogan inzwischen weltweit in aller Munde.
Das Dumme daran: Es gibt keine «allgemein akzeptierte Definition des Begriffs», wie ein kritischer Bericht der NGO «Food and Land Use Coalition» (Falu) im Januar 2023 festgestellt hat.
Schwierig zu quantifizieren
Bereits 2021 warnte die britische Zeitung «Guardian» davor, dass
Reg Ag zum «neuesten
Buzzword» der Lebensmittelindustrie werde. Tatsächlich wird das Schlagwort heute bereits in den Nachhaltigkeitsstrategien von 60 Prozent der grössten Agrar- und Lebensmittelunternehmen erwähnt. Das ergab
eine Untersuchung der FAIRR-Initiative, einem Netzwerk für kritische Anleger im Food-Sektor, die im April 2023 veröffentlicht wurde.
Die Unternehmen, die in ihren Nachhaltigkeitsberichten regenerative Landwirtschaft erwähnen, kontrollieren oder beeinflussen laut dem Bericht zusammen mit 9 Billionen Dollar Umsatz etwa ein Drittel des globalen Agrar- und Lebensmittelsektors. 70 Prozent von ihnen benennen die «Verbesserung der Bodengesundheit» als Kerngedanken der regenerativen Landwirtschaft.
«Das lässt Bedenken hinsichtlich der Erzielung positiver Ergebnisse und potenzieller Risiken des Greenwashing aufkommen.»
Nur ein Drittel dieser Unternehmensberichte weist allerdings quantifizierte Ziele für die regenerative Landwirtschaft auf. Der Rest konzentriere sich entweder auf Pilotprojekte oder allgemeine Absichtserklärungen, so der FAIRR-Bericht. Das lasse «Bedenken hinsichtlich der Erzielung positiver Ergebnisse und potenzieller Risiken des Greenwashing aufkommen».
Auf der Website der Schweizer Beratungsfirma
Regenerativ.ch wird als «Mission und Vision» beschrieben: «Eine widerstandsfähige und rentable Landwirtschaft, welche die Lebensgrundlage Boden regeneriert, gesunde Lebensmittel produziert und einen positiven Beitrag für das Klima und die Wasserqualität leistet.»
Und woraus besteht regenerative Landwirtschaft? «Bodenschonende Wirtschaftsweise und dauernde biodiverse Durchwurzelung des Bodens» zur «Reetablierung einer vielfältigen Bodenbiologie», heisst es da. «Dauernde Vielfalt über dem Boden» erreiche der Landwirt «durch Mischkulturen sowie vielsortige Gründüngungen und Untersaaten».
Lieber Baukasten als Bio
Warum denn nicht gleich Bio- oder Demeter-Landbau? Also zwei Agrarsysteme, die bestens etabliert, standardisiert und anerkannt sind.
Als Antwort auf diese Frage ist häufig zu lesen, dass Reg Ag den Vorteil hat, eben nicht reglementiert zu sein und für jeden Landwirt etwas anderes herzugeben.
Der eine schaut mehr auf sinnvolle Fruchtfolgen, der andere lässt Tiere grasen, der dritte benutzt keine Spritzmittel. Regenerative Landwirtschaft ist eine Art Baukastenspiel, in dem sich jeder nach eigenem Gusto bedienen darf. Was ausgewählt wird, unterscheidet sich auch je nach Klima- und Weltregion deutlich.
Bio- und Demeter-Vorgaben erscheinen im Vergleich dazu geradezu dogmatisch. Wer die Regeln nicht einhält, verliert das entsprechende Label stante pede. Ein regenerativer Betrieb hingegen kann sich nach Lust und Laune so nennen, denn die Bezeichnung ist weder geschützt noch von einer Branchenorganisation definiert.
Und hier liegt der Hase im Pfeffer: Wegen der schwammigen Definitionen des Begriffs Reg Ag «gibt es keinen allgemein akzeptierten Rahmen und Metriken, um die Ergebnisse regenerativer landwirtschaftlicher Praktiken festzulegen, zu verfolgen und zu messen», heisst es im Falu-Bericht. Solche Metriken aber würden auf verschiedenen Ebenen benötigt – «vom landwirtschaftlichen Betrieb bis hin zur globalen Ebene» – um zu beurteilen, «welche landwirtschaftlichen Praktiken in verschiedenen Kontexten am effektivsten sind, und «um den Übergang von den Ergebnissen auf der Ebene der landwirtschaftlichen Betriebe zu globalen Auswirkungen zu unterstützen».
Darüber hinaus könne «die fehlende Definition und die falsche Ausrichtung der Praktiken und des Begriffs regenerativ die Gefahr von Greenwashing mit sich bringen».
Mit anderen Worten: ohne Regelwerke können auch Weltkonzerne die Erfolge (oder Auswirkungen) der regenerativen Landwirtschaft nur schwer quantifizieren. Diese werden deshalb kaum Eingang in die Emissionsreduktionen von «Scope 3» finden dürfen, also jenes CO2-Ausstosses, der entlang der Lieferkette entsteht – bei Lebensmittelherstellern zum Beispiel in der Landwirtschaft, welche die Rohgüter produziert.
Mit diesem Pfund lässt sich demnach nur schlecht wuchern. Wer seine Absichten, Ziele oder Ergebnisse bezüglich regenerativer Landwirtschaft in die Welt hinaus posaunt, sollte dies deshalb vorsichtig tun.
Und am besten wirft er gleich ein paar Fussnoten nach, in denen festgehalten ist, was das Unternehmen denn nun eigentlich unter Regenerativer Landwirtschaft versteht, in welcher Form sie wo praktiziert wird und welche effektiven Resultate zum Wohl der Ackerböden und der Umwelt dabei herausschauen. Falls sie überhaupt zählbar sind.