Migros gibt Nespresso die Kugel
Wie wird Nespresso auf die Kampfansage der Migros antworten? Mit viel Nachhaltigkeits-PR. What else?
6.09.2022Runde Sache: Coffee B von der Migros-Tochter Delica | Bild: PD Migros- 1:0. Die Kugel ist nachhaltiger. Auch wenn von den 63 Milliarden Kapseln, die im Nespresso-Systems jährlich verbraucht werden, 40 Prozent rezykliert würden: Problematisch bleibt, dass mindestens rund 40 Milliarden Kapseln in vielen Regionen auf Mülldeponien oder in der Natur landen. Rezykliert wird heute hauptsächlich in den deutschsprachigen und anderen europäischen Ländern.
- 2:0. Die Kugel ist für die Kunden leichter zu entsorgen. Wer die Kapseln bisher brav gesammelt und dem Recycling zurückgeführt hat, wird nichts dagegen haben, einen leichteren Weg zu gehen: Nämlich die Kugel in den eigenen Garten zu werfen oder im Kompostsack zu entsorgen.
- 3:0. Unternehmen werden sich bei Neuanschaffungen von Bürointerieurs von ihren ESG-Prinzipien leiten lassen und auf die Kugel setzen, die von den Mitarbeitern oder vom Facility Management für die eigene Gartendüngung verwendet werden können.
- 4:0. Der (internationale) David Migros hat leichtes Spiel gegen den (oft kritisierten) Goliath Nestlé, indem er in Werbung und PR auf der Klaviatur von Ironie und Witz spielt. Was der aktuelle Werbespot für Coffee B schon mal spüren lässt: Nicht von ungefähr erinnert der an den legendären Spot, mit dem die kleine Firma Apple 1984 dem Giganten IBM den Krieg erklärte.
- 4:1. Er hat mehr zu verlieren. Der Nespresso-Umsatz betrug 2021 fast 6,5 Milliarden Franken. Das macht rund 14 Prozent der gesamten Nestlé-Verkäufe aus. Alleine von 2020 auf 2021 legte die Sparte um 10 Prozent zu. Einen Rückgang wird Nestlé mit allen Mitteln zu verhindern versuchen. Migros hat laut eigenen Angaben eine substanzielle zweistellige Millionensumme in die Entwicklung gesteckt. Diese würde der Detailhändler auch wieder einspielen, wenn das Geschäft mit der Kugel als nachhaltige Nische in der Schweiz und den Nachbarländern funktioniert.
- 4:2. Die Macht der Gewohnheit. Viele Nespresso-Kunden werden ihre Maschinen weiter benutzen – was auch die Migros-Manager empfehlen. Womit sie dem Vorwurf entgegentreten, ein massenhafter Systemwechsel werde unzählige funktionierende Kaffeemaschinen auf den Müll befördern. Das zeigt auch: Die Verkaufskanäle für Nespresso sind weltweit tief gegraben. Für die Migros ist es schwierig, in kurzer Zeit eine ähnliche Marktdurchdringung zu erreichen.
- 4:3. Nespresso wird alle PR- und Marketing-Hebel in Gang setzen, um die Vorteile seines Systems nachzuweisen. Im Hebeln hat der Riese jahrzehntelange Erfahrung, zudem eine dicke Geldbörse – etwa für Testimonials von Stars. In puncto Umweltbewusstsein wirft Nespresso beispielsweise ein, dass die neuen Vertuo-Maschinen für den US-Markt zu 50 Prozent aus rezykliertem Kunststoff hergestellt werden (wenn auch die Vertuo-Kapseln grösser sind und deshalb mehr Aluminium benötigen). Oder dass die Kaffeeresten aus rezyklierten Kapseln für die Herstellung von Biogas verwendet werden – wer kann heute Nein zu Biogas sagen?
Das Nespresso-Schisma
Flirten mit Lavazza, Jacobs, Tchibo?
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