Auf der einen Seite steht L'Oréal, auf der anderen Seite findet sich die University of Massachusetts gemeinsam mit dem katholischen Orden der Teresianischen Karmeliten. Die Parteien streiten um die Frage, wem das Patent an einer Anti-Falten-Crème gehört, die L'Oréal unter dem Namen «Revitalift» verkauft.
Der Fall begann schon
mit einer ersten Klageschrift 2017 – und schwelte vor sich hin, nachdem ein Richter in Delaware die Eingabe gegen den Kosmetikkonzern letztes Jahr abgewiesen hatte. Jetzt entschied aber eine höherrangige Instanz: Doch, auf das Anliegen der Universität und der religiösen Gemeinschaft muss eingegangen werden. Der Fall muss nun vor ein Bundesgericht.
Worum geht es? Um
Adenosin. L'Oréal setzt das körpereigene Molekül ein, um die Bildung einer geschmeidigeren Haut zu fördern. «Er dringt tief in die Haut ein»,
beschreibt der Konzern die Wirkung des Stoffs, «um die Wirkung der Enzyme auf Kollagen zu bremsen und so die Kollagenproduktion zu steigern sowie die Elastinproduktion anzukurbeln».
Und so findet sich Adenosin inzwischen auch in diversen anderen Produkten der L'Oréal-Marken Maybelline und Lancôme.
Crème gegen Falten und Armut zugleich
Die Universität stellt sich nun auf den Punkt, dass die spezifische Anwendung von Adenosin, wie sie von L'Oréal eingesetzt wird, von zwei ihrer Professoren entwickelt wurde – und dass diese Anwendung auch geschützt sei. Das Patent mit dem Titel «Behandlung der Haut mit Adenosin oder Analogem»
wurde 2002 gewährt. Die Autoren beschreiben darin Methoden, um die Erscheinung gesunder Haut durch Adenosin zu verbessern.
Lizenziert wurde das Patent dann 2009 von einem religiösen Orden in Massachusetts, den man hierzulande als die Unbeschuhten Karmeliten kennt. Oder genauer: Eine Heilmittelfirma, die einer der Mönche gegründet hatte, begann damit, eine Hautcrème namens «Easemine» herzustellen und zu vermarkten, die mittels Adenosin wirkt und als Anti-Aging-Mittel eingesetzt wird.
Die Erlöse wiederum werden von den Karmeliten für karitative Zwecke eingesetzt; sie dienen beispielsweise der Arbeit mit Gefangenen, Drogenabhängigen oder benachteiligten Schulkindern.
Juristische Fragen, moralische Argumente
Im Prozess, der nun ansteht, gelangen diverse wirtschafts- und patentrechtliche Aspekte auf den Prüfstand.
So stellt sich L'Oréal auf den Standpunkt, dass das Patent eh schon abgelaufen ist; dass nicht die L'Oréal-Tochter in den USA zuständig ist, sondern dass der Fall ohnehin in Frankreich geklärt werden müsste; und dass die Zusammensetzung der eigenen Crèmen – beziehungsweise der Einsatz von Adenosin dort – völlig anders sei als bei den Produkten der Karmeliten beziehungsweise als im Patent der University of Massachusetts beschrieben.
Auf der Gegenseite bekommt die Sache natürlich einen moralischen «Spin». Was L'Oréal tue, sei Raub an den Armen, kommentierte der Chef der Ordens-Firma den Fall
gegenüber der Nachrichtenagentur AP.
Eine Glaubenssache
Und auch einer der Erfinder wetterte gegen L'Oréal: «Wenn du weisst, dass es da draussen ein Patent gibt, und du brichst es bewusst, dann empört mich das wirklich», sagte der inzwischen pensionierte Mediziner James Dobson. «Und es empört mich auch, weil die Teresianischen Karmeliten die Einnahmen für die Armen und Benachteiligten in Zentral-Massachusetts verwenden, und das ist eine noble Sache.»
Hier der weltgrösste Kosmetikkonzern, da eine Universität, dort die Kirche: Man kann das auch positiv sein. Der Streit könnte dem Glauben an die Wirkung von Adenosin ziemlich zuträglich sein.