Acht Konsumgüter- und Retail-Firmen holten beim Werbefestival in Cannes 2022 den allerhöchsten Preis – den «Grand Prix». Hier sind sie.
27.06.2022 letzte Aktualisierung: 11.04.2023Flüssiges Werbeplakat: Adidas-Billboard, «Grand Prix» in der Kategorie «Outdoor» | Bild: PD Adidas
Im Juni wurde wieder mal die beste, kreativste, verblüffendste (und vor allem: nachhaltigste) Werbung der Welt ausgezeichnet. Dabei ist das Werbefestival von Cannes ja insbesondere auch eine Leistungsshow der konsumnahen Branchen: Sie sind die grossen Player in diesem Geschäft.
Wer machte also 2022 von sich reden? Hier sehen Sie es.
Und zwar zeigen wir Ihnen die Arbeiten aus Konsumgüter-Industrie und Detailhandel, die bei den «Cannes Lions» 2022 besonders herausragten: Sie erhielten nicht «bloss» einen bronzenen, silbernen oder goldenen Löwen. Sondern sie erhielten den «Grand Prix» – also jene Würdigung für speziell starke Auftritte, die in jeder Kategorie höchstens einmal vergeben wird.
Insgesamt zeichneten die Jurys der besten Werber in Cannes dieses Jahr 25 Arbeiten mit so einem «Grossen Preis» aus. Und 10 dieser «Grand Prix» gingen an Unternehmen oder Organisationen aus «unseren» Branchen.
Michelob Ultra, «Contract for Change»: «Grand Prix» für Creative Effectiveness.
Marketing? Werbung? Das ist mehr: Hier wurde ein eigentliches Umstellungsprogramm gestartet (und als Brand Building verkauft). Der Bierbrauer Michelob entwickelte ein Lehr-, Betreuungs-, Finanzierungs- und Abnahme-Programm, das Hafer-Farmer half, von konventioneller zu Bio-Landwirtschaft zu wechseln.
Agentur: FCB Chicago / FCB New York
«Die Kampagne, für die wir uns entschieden haben, war nicht nur stark in Kreativität und Effektivität, sie ging weit darüber hinaus – sie ist disruptiv, bahnbrechend und wirkt nachhaltig in die Zukunft», begründete die Jury. «Sie ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Marketing eine effektive Rolle dabei spielt, das Geschäft voranzutreiben, die Marke aufzubauen und eine Schlüsselrolle in der gesamten Wertschöpfungskette des Unternehmens zu spielen.»
Decathlon, «The Breakaway: The First E-Cycling Team For Prisoners»: «Grand Prix» für Creative Strategy — Zugleich: «Grand Prix» für PR.
Wie bringt man Häftlinge in Bewegung? Wie zeigt man ihnen die Welt, wie integriert man sie in die Gesellschaft – obwohl sie hinter Gittern sind?
In Belgien brachte sich die Sportartikel-Retailer Decathlon ins Gespräch, indem er aus Gefängnisinsassen ein E-Sports-Bike-Team bildete, dessen Fortschritte und Wettkämpfe bald landesweit verfolgt wurden.
Agentur: BBDO Belgien
Die Decathlon-Kampagne zeige «die mutigen und sozial bewussten Schritte, die möglich werden, wenn Strategie, Media- und Detailaktionen direkt aus dem Sinn der Kernmarke abgeleitet werden», so das Lob der Jury.
Mars Petcare, «Hope Reef»: «Grand Prix» in der Kategorie Media — Zugleich: «Grand Prix» in der Kategorie Industry Craft.
Konkret wirbt hier die Katzenfutter-Marke «Sheba». Aber bei «Hope Reef» geht nicht darum, «Sheba» als Brand mit unbedenklichem Fisch zu präsentieren; sondern es geht (ähnlich wie bei Michelob) um den Start eines Programms.
Marks gründete eine Organisation zur Rettung der Korallenriffs, und der virale Trick dabei ist ganz simpel: Wer den Film streut, trägt dazu bei, dass Mars als Werbetreibender etwas bezahlt – für die Aktion «Hope Reef».
Agentur: AMV BBDO London
Die Aktion habe «eine immersive Erfahrung» eröffnet, «die sowohl globale Dimensionen als auch eine zutiefst persönliche Verbindung aufbaute», argumentiert die Jury der Media-Kategorie. «Und sie hilft, auf eine authentische und für die Marke glaubwürdige Weise den Planeten zu retten. Die Jury war sich einig, diese perfekte Verbindung von Idee und Technologie, von Botschaft und Medium, von Zweck und Ort zu rühmen.»
Penny, «Der Wunsch»: «Grand Prix» in der Kategorie Filmhandwerk.
17 Millionen Views auf Youtube bislang: Der Spot, mit dem die Rewe-Supermarkt-Kette Penny letztes Jahr ihre Weihnachts-Aktion bewarb, traf einen Nerv. Er packte die Stimmung im lockdown-geplagten Deutschland – auch mit etwas Mut.
Wie immer bei diesen werbepreisgekrönten Werken geht es nicht um das Produkt oder die Marke; und der Call-to-Action zielt nicht auf den Kauf. Sondern es geht darum, die Menschen zu aktivieren.
Konkret offerierte Penny hier den Jugendlichen als Hauptopfer der Covid-Politik 5'000 verschiedene Events.
Agentur: Serviceplan
«Am Ende haben wir den Grand Prix an einen Film vergeben, der fast ans klassische Filmemachen erinnert und auf allen Ebenen so perfekt gemacht sein musste, um wirklich zu schwingen und zu funktionieren», erklärte die Jury. «In den falschen Händen hätte ein Film wie dieser durch übertriebene Sentimentalität verloren». Aber das Werk sei das «offensichtliche Werk eines Filmemachers, der sein Handwerk absolut beherrscht.»
Dole Sunshine und Ananas Anam: «Piñatex». «Grand Prix» in der Kategorie Creative Business Transformation.
Das dritte Beispiel aus der Kategorie «Firma entwickelt Konzept zum nachhaltigen ökologischen Wandel»: Der Dosenfrüchte-Hersteller Dole verarbeitet Millionen Tonnen Ananas – und stets bleiben die Blätter zurück. Sie werden ein bisschen zu Dünger verarbeitet, aber wenn sie verrotten oder verbrennen, entsteht CO2.
Was also tun? Mit einer philippinischen Firma und britischen Doktoranden entwickelte man eine Alternative zu Leder – hergestellt aus den langfasrigen Ananas-Blättern – und startete die Produktion. Der Name: Piñatex.
Adidas, «Liquid Billboard». «Grand Prix» in der Kategorie Outdoor.
Wie wirbt man für Bademode? Am besten unter Wasser. Aus dieser Idee installierte Adidas zur Lancierung seiner Ganzkörper-Badedresses in Dubai einen Pool mit Aussicht und Einsicht: Die Apparatur am Strand kam daher wie ein gigantisches Werbeplakat.
Und lud auch das Publikum am Strand dazu ein, einen werbewirksamen Sprung zu wagen.
Agentur: Havas Middle East
Nike, «NikeSync». «Grand Prix» in der Kategorie Entertainment for Sport.
Eine Sportmarke ist mehr als ein Schuh- oder Kleiderhersteller: Dies setzte Nike letztes Jahr mit «NykeSync» um: Das ist erstens App und zweitens ein Training-Programms, welche die sportlichen Aktivitäten und Ziele der Frauen synchronisiert mit ihrem Monatszyklus.
Agentur: R/GA London
Livsmedelsföretagen, Verband der schwedischen Nahrungsmittelhersteller: «Eat a Swede». «Grand Prix» in der Kategorie Entertainment.
Zum Schluss eine Satire-Aktion: Der Verband der schwedischen Food-Branche hat es darauf anlegt, dass wir unser Essverhalten überdenken – und zwar gleich auf mehreren Stufen.
Weil wir weniger Tiere töten wollen, setzen viele Unternehmen bekanntlich inzwischen Laborfleisch: Sie versuchen, aus einzelnen Fleischzellen ganze Schnitzel zu züchten.
Diese Aktion stellt nun die Folgefrage: Warum sollen wir eigentlich Schweinefleisch essen – und nicht Menschenfleisch?
Und wenn Menschenfleisch: Warum dann nicht gleich das Fleisch eines weltweit bewunderten Hollywood-Stars?