An 22 Orten können Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten heute rund um die Uhr einkaufen, ohne dass dafür Personal Nachtschichten einlegen muss. Die automatisierte Hofladen-Kette «Rüedu» aus Bern spielt die Vorreiterin dieser trendigen Vertriebsart. Valora mit ihrer Marke «Avec» und die Regionalgenossenschaft Migros Aare mit dem Projekt «Voi Cube» haben inzwischen nachgezogen.
Eine
neue Untersuchung aus Deutschland stellt fest, dass solche «Smart Stores» eine «boomende Nische» darstellen und vor allem ländliche Gebiete mit mangelnder Infrastruktur erobern könnten. Die dortigen Projekte heissen zum Beispiel «Teo» (von der Migros-Tochter Tegut betrieben) oder «Tante M». Gemeinsam sei ihnen, dass sie bei der Ausbreitung «kleinere Regionen für sich beanspruchen».
44 Konzepte in Deutschland
Insgesamt zählt man in Deutschland, gemäss dem Stand der Studie, 44 Smart-Store-Marken. Im Gegensatz zu Deutschland wurden die 20 bisherigen Schweizer Smart Stores der drei Betreiber Rüedu, Valora und Migros vor allem in Agglomerationen und Stadtquartieren eröffnet.
Die deutsche Studie unterscheidet zwischen automatisierten Boxen – vergleichbar mit den Lebensmittelautomaten, die hierzulande etwa auf Bahnhofperrons stehen – und «Walk-in»-Läden. Letztere sind zugänglich – tagsüber frei und während den Nachtzeiten meistens mittels App. Bezahlt wird üblicherweise bargeldlos mit einer Debit- oder Kreditkarte.
Fünf Merkmale von Smart Stores |
Personallos/unbemannt («Automated Self Service») |
Rund um die Uhr geöffnet («24/7») |
|
|
Registrierung erforderlich («Identification») |
|
Eigentliche Schweizer Pioniere sind die beiden Berner Tom Winter und Jürg Burri, die im Juli 2020 den ersten «Hofladen» im Berner Breitenrainquartier eröffneten. Nachdem die Container zunächst in Bern und Umgebung zu stehen kamen, legte die
Rüedu AG den Fokus in den letzten Monaten auf Zürich und Umgebung. Inzwischen ist das Filialnetz auf 15 Standorte angewachsen, Laden Nummer 16 öffnet im August in Grosshöchstetten (BE).
Die «Hofläden» enthalten Waren, die laut Rüedu AG «fair, nachhaltig und partnerschaftlich» produziert und gehandelt werden. Im Sortiment der Filiale in Zürich-Albisrieden findet man zum Beispiel Glacé im Chübeli aus Einsiedeln (SZ) und Würste einer Metzgerei aus Thalwil (ZH).
Rüedu arbeitet in der Region Zürich auch mit der bekannten und umtriebigen
Jucker Farm zusammen, die zum Beispiel Pasta und Müesli liefert.
Im Dezember 2021 eröffnete Valora diese «Avec Box» in Winterthur (ZH) | Bild: PD/Valora
Valora setzt auf zwei Konzepte: «Avec 24/7», die tagsüber von Personal bedient werden, und die voll automatisierte Variante «Avec Box». Die Regionalgenossenschaft
Migros Aare stieg im Januar 2021 mit einem «Voi Cube» in Grenchen (SO) ein, hat seither aber keine weiteren «Würfel» eröffnet.
Die Migros bezeichnet ihren ersten Smart Store vorsichtig als «begehbaren Warenautomat». Der technokratische Begriff umschreibt, dass Personal hier nur die Gestelle auffüllt und Ordnung schafft. Die Automatenfiliale «findet Gefallen», schreibt Migros Aare auf ihrer Website. «Erste Reaktionen sind positiv und zeigen, dass ein Kundenbedürfnis durchaus da ist.»
Vor sechs Wochen
bestätigte die Migros denn auch, dass sie das Smart-Shop-Konzept «Teo» von Tegut aus Deutschland importieren will. Tegut gehört der Regionalgenossenschaft Migros Zürich, während der Voi Cube von der Migros Aare betrieben wird. Noch in diesem Jahr soll es erste Eröffnungen nach dem Teo-Konzept geben. Tegut hat in Deutschland bisher elf solcher automatisierten Walk-in-Läden mit einem Sortiment von je fast 1000 Artikeln in Betrieb.
Smart Shops in der Schweiz
| | | | | |
| | | | | «Rund um die Uhr einkaufen» |
| | | Per Progressive Web App (PWA) | | |
Migros Aare, Schönbühl (BE) | | | Per App (nicht Migros-App) | | «Begehbarer Warenautomat» |
Die rasche Ausweitung der Rüedu-Filialen weist darauf hin, dass neue Smart Shops vor allem dann Erfolg haben, wenn sie spezifische Kundenbedürfnisse abdecken. Seien dies regionale Waren, die sonst in einer städtischen Umgebung schlecht erhältlich sind, oder Lebensmittel aus dem Convenience-Bereich für Konsumenten, die zu Nachtzeiten einkaufen (müssen).
Die Studienverfasser Stephan Rüschen und Julia Schumacher sehen Smart Stores als «boomende Nische». Die hohe Anzahl an verschiedenen Konzepten zeige das grosse Interesse im deutschen Handel: «Aufgrund des ‹Markteintritts› (der) beiden bedeutendsten Lebensmittelhändler in Deutschland in diese Betriebsform ist noch mit einer weiter zunehmenden Dynamik zu rechnen.» Mit einer Marktkonsolidierung in diesem Vertriebssektor müsse in 2 bis 3 Jahren gerechnet werden.