Lidl: Bei der Bewerbung kann man sich das Anschreiben sparen
Der Detailhändler will die Schwelle für Job-Interessenten senken und den Bewerbungsprozess vereinfachen. Das ist kein Einzelfall.
4.04.2023letzte Aktualisierung: 15.05.2023Durchstrichene Sache: Aus einem Social-Media-Post von Lidl.
Beim heutigen Fachkräftemangel bemühen sich die HR-Abteilungen immer mehr um Niederschwelligkeit. Die Unternehmen tun alles, damit Interessenten und Bewerber möglichst problemlos und quasi nebenbei anklopfen können: Vielleicht ergibt sich daraus ja am Ende ein Arbeitsvertrag.
Das neuste Beispiel kommt von Lidl – respektive von der ganzen Schwarz-Gruppen. Letzte Woche verkündete der Detailhandels-Riese, dass sich die Stellenbewerber das Anschreiben (oder wie man hierzulande sagt: das Motivationsschreiben) künftig sparen können, und zwar bei allen Stellen im Konzern.
«Positive Bewerbungserfahrung»
«Wir sind überzeugt: Deine Persönlichkeit passt nicht auf eine Seite», lautet eine Erklärung vom internationalen Lidl-Sitz in Heilbronn.
Kein Anschreiben – das gilt auch hierzulande. «Auch wir in der Schweiz verzichten seit kurzem auf die Notwendigkeit eines Motivationsschreiben», sagt Lidl-Schweiz-Sprecher Mathias Kaufmann: «Man kann zwar freiwillig ein Motivationsschreiben anhängen, zwingend notwendig ist das aber nicht mehr. Grund für diese Massnahme: Wir wollen unseren Bewerbungsprozess noch einfacher gestalten und damit zu einer positiven Bewerbungserfahrung beitragen.»
Die Idee gehört, wie gesagt, in eine Reihe von Versuchen, mit denen die Unternehmen ihre Einstiegshürden senken. Ein vielbeachtetes Beispiel bot soeben die französische Supermarkt-Kette E.Leclerc: Sie veranstaltete Ende März einen Schwerpunkt-Tag namens «La Grande Rencontre», an dem sie landesweit 7'000 Stellen quasi auf den Markt warf. Das Ziel war, die Positionen bis am Abend besetzt zu haben.
Konkret waren an jenem Samstag in 470 Filialen des Konzerns HR-Leute präsent, daneben Mitarbeiter aus all den benötigten Berufen – und wer wollte, konnte einfach Kontakt aufnehmen und sich informieren. Und er konnte dann, in einem nächsten Schritt, quasi direkt zum Bewerbungsgespräch übergehen. Lebenslauf, Unterlagen, Zeugnisse? Wurden vorerst nicht benötigt.
E.Leclerc führte dabei zum zweiten Mal solch eine Aktion durch. An der ersten «Grande Rencontre» 2022 waren 35'000 Personen begrüsst worden. Wieviele Verträge zustande kamen, gab das Unternehmen allerdings nicht bekannt. Auch zur neuen Veranstaltung gibt es noch keine Zahlen; doch regionale Vertreter zeigten sich zufrieden (hier, hier).
Denn die Veranstaltung brachte offenbar einen klaren Vorteil ans Licht: Der Detailhändler traf auf Menschen, die zuvor gar nicht daran gedacht hatten, sich für eine bestimmte Stelle oder einen Beruf zu bewerben.
Tiefe Einstiegshürden: In dieses Kapitel fällt zudem eine Idee, die Allianz Suisse im März durchführte. Im Zürcher Einkaufszentrum Sihlcity mietete der Versicherer einfach eine Plakatwand – und hängte dort ein «Abwerbungsplakat» auf.
Es enthielt hunderte vorgefertigter Anwerbungsschreiben, die Interessenten nur noch abreissen mussten – um sie dann rasch zu unterschreiben und mit Absender an Allianz Suisse zu senden.
Die Bewerbungs-Anschreiben-Wand von Allianz Suisse | Bild: PD
Die Lidl-Idee, sich das Motivationsschreiben zu sparen, wurde hier quasi in neuer Form umgesetzt: Allianz legte die Floskeln gleich selber vor.
Ein weiteres Light-Recruiting hat sich in Deutschland die Kaufland-Gruppe ausgedacht: Shopping plus Jobping. Die Schwarz-Tochtergesellschaft (beziehungsweise Lidl-Schwester) hat in ihren Filialen landesweit Terminals, an denen man kurzerhand Stellen finden kann – und wer will, kann dann gleich auch seine Bewerbung abwickeln.
Das Gerät stellt einige Fragen und führt die Kunden (Bewerber?) zu allenfalls passenden Positionen.
Bild: PD
Die Terminals dienen bei Kaufland seit längerem für diverse Angebote – Registrierung, Selbstscannen, Suche nach Aktionen. Jetzt kann man einfach obendrein noch die Kachel «Jobs» anwählen.
Dann zeigt ein Chatbot die offenen Stellen in der Filiale vor Ort – oder bei Bedarf auch im Umkreis von 15 Kilometern. Hat man sich zu einem passenden Job durchgeklickt, kann man hier auch gleich direkt die Bewerbung eingeben.
Es ist also kaum allzu mutig, wenn man langsam den Tod des Job-Anschreibens voraussagt. Schliesslich kann man sich diese Briefe nun ja auch einfach von einer AI vorschreiben lassen.
Kein Wunder, dass sich die HR-Manager bei Lidl inzwischen sagen: Das können wir uns auch sparen.
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